Frauenkampftag 2018: Demonstration zur Frauen-JVA Chemnitz

Solidarität mit den Gefangenen-Gewerkschafterinnen der JVA Chemnitz!

Beginn: 11. März, 13 Uhr, auf dem Campus der TU Chemnitz, Reichenhainer Straße 70, 09126 Chemnitz

Aufruf der Soligruppen Jena, Leipzig und Berlin der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation

Busfahrt aus Jena: Treff 10:30 Uhr Inselplatz, Tickets reservieren unter pekari [at] riseup [net] oder abholen Di 18-19 Uhr oder Do 11-15 Uhr im FAU-Lokal in der Bachstraße 22 und Fr 15-18 Uhr im Infoladen Jena im Schillergässchen 5.

 

Als Gefangenen-Gewerkschaft rufen wir für den 11. März 2018 zu einer Frauenkampftags-Demonstration zur Frauen-Justizvollzugsanstalt (JVA) Chemnitz auf. Dort organisieren und engagieren sich die inhaftierten Arbeiterinnen in der Gefangenen-Gewerkschaft. Sie wehren sich dabei u.a. gegen die schweren Arbeitsbedingungen und die Folgen von Personalmangel und Überbelegung. Im September 2017 haben 40 Gefangene einen Sitzstreik im Gefängnishof gemacht und wurden anschließend dafür verfolgt. Wir wollen ihnen mit unserer Demonstration zeigen, dass sie nicht alleine sind, und ihnen Mut für die weiteren Kämpfe machen!

Der 8. März, der internationale Frauenkampftag, war für uns als Gefangenen-Gewerkschaft schon letztes Jahr der Anlass, auf die Kämpfe von Frauen und Queers hinzuweisen. So sind wir am 8. März 2017 zur Frauen-JVA Chemnitz gezogen, wo sich erst vor kurzem eine Sektion der Gefangenen-Gewerkschaft gebildet hatte. Im Aufruf, den wir gemeinsam mit der damaligen Sprecherin der GG/BO in der JVA Chemnitz geschrieben hatten, thematisierten wir vor allem die Gewalt gegen Frauen und die harten Arbeitsbedingungen.

Seitdem hat sich einiges getan. Die Anstaltsleitung hat der GG/BO-Sektion erlaubt, zweiwöchentliche Mitgliederversammlungen durchzuführen. Damit wurde eine der Hauptforderungen der GG/BO erfüllt und ein wichtiger Schritt zur Durchsetzung der Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern gemacht.

Auf der anderen Seite bleibt die Situation der inhaftierten Arbeiterinnen der JVA Chemnitz weiterhin schwierig. Sie leiden unter der Austeritätspolitik1 des Staats im Strafvollzug, konkret unter den Folgen von Personalmangel und Überbelegung.

Auf der einen Seite gibt es angesichts der vielen Gefangenen zu wenig Schließer_innen. In Sachsen wurden 2015 und 2016 55 Stellen gestrichen. Die Interessenvereinigung der Schließer_innen geht davon aus, dass ca. 200 Beamte fehlen.2 Auf der anderen Seite sind die JVAs in Sachsen chronisch überbelegt. Die JVA Chemnitz hat ca. 240 Haftplätze. Es werden allerdings ca. 280 Gefangene hier eingesperrt. Damit ist sie mit 108,5% belegt. Ab einer Auslastung von 90% gilt eine JVA als überbelegt.3

Die Folgen von Personalmangel und Überbelegung müssen die Gefangenen ausbaden. Die Aufschlusszeiten, in denen sie sich zwischen den Zellen bewegen können, wurden gekürzt. Folglich fallen Freizeitangebote weg und wird die Kommunikation zwischen den Gefangenen eingeschränkt. Auch die ärztliche Versorgung ist vollkommen ungenügend. Es gab im letzten Jahr mehrere Tage, an denen kein Arzt, keine Ärztin in der ganzen JVA war! Darüber hinaus hängt auch die systematische Verweigerung von Lockerungen vor Haftentlassung, also z.B. von Haftausgängen, mit dem Personalmangel zusammen. Die meisten Gefangenen in Sachsen werden entlassen, ohne dass sie vorher einen Ausgang gehabt und sich hätten vorbereiten können.4

Gegen diese Zustände wehren sich die Gefangenen zusammen mit der Gefangenen-Gewerkschaft. Im September 2017 haben 40 Gefangene im Gefängnishof der JVA Chemnitz einen Sitzstreik gemacht, um gegen die Folgen des Personalmangels zu protestieren. Nach anderthalbstündigen Verhandlungen beendeten sie die Aktion und kehrten in ihre Zellen zurück. Trotz versprochener Straffreiheit wurden anschließend 30 Gefangene mit Disziplinarmaßnahmen überzogen. Zwei Frauen wurden, trotzdem sie Kinder haben, in JVAs ganz woanders in Deutschland zwangsverlegt.

Der sächsische Staat und die JVA haben damit gezeigt, dass sie von Protesten selbstorganisierter sozialer Bewegung nichts halten, dass sie darauf aus sind, diese im Keim zu ersticken. An dieser Stelle wundert uns auch nicht mehr, dass unsere letztjährige Demonstration zum Ende hin von der Polizei angegriffen und Hundert Meter über die Straße geprügelt wurde.

Die Vorschläge des Staats zur Lösung der Situation sind bekannt. Das sächsische Justizministerium hat die Schaffung von 100 Stellen für Schließer_innen angekündigt. Weiterhin hat es erklärt, dass der gestiegene Ausländeranteil unter den Gefangenen für die Situation schuld sei und wolle deswegen mehr migrantische Gefangene abschieben.5 Der Staat setzt also auf noch mehr Unterdrückung und noch mehr Rassismus!

Wir dagegen unterstützen mit unserer Demonstration die Selbstorganisation der Gefangenen und zwar aller Gefangenen unabhängig von Pass und Hautfarbe und fordern: Schluss mit der Repression gegen die Proteste der Gefangenenbewegung von drinnen und draußen – Gewerkschaftsfreiheit drinnen und draußen! Außerdem dürfen die Gefangenen den Austeritätskurs im Strafvollzug nicht ausbaden: Lasst sie endlich frei!

Die damalige Sprecherin der Gefangenen-Gewerkschaft in der JVA Chemnitz, Manuela B., schrieb nach dem Sitzstreik und während der Repression durch die JVA:

„Zwar gab es bisher noch keine positiven Veränderungen bezüglich des Beamtenmangels und des veränderten Tagesablaufs, aber wir haben auf uns aufmerksam gemacht – nicht nur hier drin, sondern auch draußen. Wir sind keine Menschen der dritten Klasse, die Randgruppe, die weggeschlossen wird, die nicht gesehen werden soll, sondern auch wir sind Menschen, die Rechte haben, vor allem eine Würde. Warum sollen die Grund- und Menschenreche der Gefangenen in Vergessenheit geraten und denen keine Beachtung geschenkt werden? Glaube… nein, ich bin mir

sicher, dass man nur so wahrgenommen wird und Gehör erlangt.

[…]

Ist die Augen zu schließen, mit Sanktionen zu reagieren die richtige und einzige Lösung für Alles? Nein! Doch wir werden uns nicht unterkriegen lassen! Wir werden weiter für die Gemeinschaft kämpfen. Hey =) Was haben wir denn schon zu verlieren? Wir werden doch schon als Randgruppe abgestempelt. Warum dann nicht ein Stück weit gemeinsam kämpfen? Man verliert nie. Entweder man gewinnt oder man lernt! Deshalb werden wir auch weiter kämpfen – nämlich für unsere Rechte.“

 

Fußnoten

Austerität = staatlicher Sparzwang.

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