Trotz gültigen Fahrschein endet Straßenbahnfahrt für 12-Jährigen mit Polizeieinsatz und Durchsuchung der Habseligkeiten

Jena. Vergangene Woche hat die Gruppe Jugend gegen Rechts (JGR) den Vorwurf einer rassistischen Kontrolle in der Jenaer Innenstadt erhoben. Der entsprechende Beitrag hat in den sozialen Netzen für umfangreiche Diskussionen gesorgt. Nach dieser Darstellung wurden vier Kinder am Freitagabend (23.11.18)  in der Jenaer Straßenbahn Linie 5 am Holzmarkt kontrolliert. Laut Angaben von JGR hatten die Kinder zwar Fahrscheine, allerdings zumindest einer von ihnen nicht den passenden Schulnachweis bei sich. Aus diesem Grund mussten sie aussteigen und die Jenaer Polizei wurde hinzugezogen. Diese kontrollierten die Personalien von zunächst drei Jugendlichen.

Das Kind, welches ohne mitgeführten Schülerausweis reiste, musste nach Augenzeugenberichten seine Jacke bei 2°C Außentemperatur ausziehen. Das wurde von den Polizisten so verlangt. Die junge Politgruppe wirft den Kontrolleuren und der Polizei eine rassistische Kontrollpraxis vor, da nur die migrantisch wirkenden Kinder und keine anderen Fahrgäste in der Bahn kontrolliert wurden seien. Nach der Kontrolle wurde der entsprechende Schüler von den Polizisten weggefahren.

Wir haben bei Jenah und bei der Polizei um Stellungnahme gebeten:

Grundsätzlich bestätigt das Nahverkehrsunternehmen die durchgeführte Kontrolle am vergangenen Freitag. Die Sprecherin von JeNah distanziert sich aber entschieden von der Darstellung durch JGR. Diese entspreche in keiner Weise den tatsächlichen Vorgängen an dem Abend: „In unseren Fahrzeugen finden regelmäßig Fahrausweiskontrollen statt. Dabei werden die Fahrausweise aller Fahrgäste durch das beauftragte Kontrollpersonal kontrolliert. Es gibt die klare Vorgabe, dass dabei alle Fahrgäste gleich zu behandeln sind. Diese Vorgabe wird durch das Kontrollpersonal eingehalten, so auch bei der Fahrt am Freitagabend. Das Kontrollpersonal wird regelmäßig zu den Tarifbestimmungen, Beförderungsbedingungen und Kontrollrichtlinien geschult. Es gilt die Grundregel, respektvoll und gleichberechtigt mit allen Fahrgästen umzugehen, unabhängig von individuellen und kulturellen Unterschieden. Diskriminierende Handlungen werden nicht toleriert“.

Auch die Polizeiinspektion Jena bestätigt grundsätzlich die Kontrolle, sowie die Altersangabe von 12 Jahren. Die Darstellung von JGR in Bezug auf die Problematik des fehlenden Schülerausweises wird auch bestätigt. Der 12 Jährige hatte einen ermäßigten Fahrschein, für den er eigentlich einen entsprechenden Schulnachweis benötigt. Über das Ausziehen der Jacke konnte die Sprecherin nur mutmaßen: vermutlich diente dies der Suche nach dem Schülerausweis. Nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wurde der junge Mann nach Hause gefahren.
Zwar hat die Polizei eine Strafanzeige gegen den 12 Jährigen aufgenommen, diese muss allerdings eingestellt werden. 12-Jährige sind nach deutschen Recht generell strafunmündig.

Eine rassistische Kontrolle lässt sich – sofern die Angaben von Polizei und Jenah richtig sind – nicht erkennen. Generell stellt sich aber die Frage ob es wirklich notwendig ist die Polizei hinzuzuziehen, weil ein Kind keinen Schülerausweis mitgenommen hat. Bezahlt wurde der Fahrschein ja offenkundig und 12-Jährige unterliegen in Deutschland allgemein der Schulpflicht. Auch wenn die Kontrolle mutmaßlich nicht rassistisch war ist die Aktion ziemlich über das Ziel hinausgeschossen. Vielleicht sollte der VMT seine Beförderungsbedingungen in diesem Punkt überdenken. Die Thüringer Schulpflicht beginnt mit 6 Jahren und gilt für mindestens 9 Jahre – bei einem Alter unter 16 macht eine Kontrolle der Nachweise also keinen nennenswerten Sinn.

Autor: Martin Michel