Politische Wechseljahre: Gedanken zur Einsamkeit der Radikalität

Mit einer Art ungewolltem Moral-Appell versucht Jens Störfried auf seine Situation aufmerksam zu machen. Beschrieben werden dabei Gedanken, Wahrnehmungen, vielleicht auch „nur“ Gefühle, die ihn offenbar in einer ausgedehnten Umbruchphase beschäftigen. Der Beitrag ist auch ein Weiterdenken von einigen Aspekten der Diskussion „Dem Morgenrot entgegen?“ in der letzten Lirabelle.

Ohnehin trieb es mich aus ganz persönlichen Gründen um, über die Thematik des Älterwerdens in linken politischen Zusammenhängen und dem Hadern mit der eigenen Weltanschauung zu schreiben. Dann las ich die Diskussion in der letzten Lirabelle1 und fühlte mich bestärkt, ebenfalls einige Gedanken in diese Richtung zu formulieren.
Denn seitdem ich vor einiger Zeit die magische 30 überschritten habe, spüre ich tatsächlich auch jenen Ticking-Point, an dem viele der verbliebenen Szene-Angehörigen die Entscheidung treffen, diese hinter sich zu lassen – oder ihr Verschwinden aus dieser einfach geschehen lassen. Dazu muss ich schreiben, dass ich (noch) keine Kinder habe, für die ich Verantwortung übernehme und keine alten oder gehandicapten Menschen pflege. Zudem habe ich (noch) die Möglichkeit, mich in einem Umfeld bewegen zu können, wo ich aufgrund meiner Einstellungen, Verhaltensweisen oder Äußerungen nicht direkt ausgegrenzt oder sogar angefeindet werde. Außerdem führten verschiedene Umstände dazu, dass ich bisher wenig lohnarbeiten musste und mich stattdessen ausgiebig und zu einem guten Teil wie es mir beliebte mit Politik, Theorie und Menschen beschäftigen konnte. Anforderungen hatte ich trotzdem auch zu bewältigen, klar… Allerdings weiß ich, dass sich meine Situation mittelfristig ändern wird. Mein bisheriges Leben unterhalb oder am Rande der Armutsgrenze gewährte mir als junger Mensch zweifellos viele Spielräume. Sicherheiten habe ich dagegen bisher keine aufbauen können.
Die Erzählung vom ewigen linken Jammertal und von der angeblich alles durchdringenden „Gesamtscheiße“ lehne ich ab, brandmarke Nihilismus und Zynismus vehement als „bürgerlich“ und bin stattdessen von einer stillen, aber tiefen Hoffnung erfüllt, deren Ursachen ich gar nicht zu ergründen anstrebe. Es gab Zeiten, in denen habe ich alles zerhackt. Das war notwendig, bringt mich jetzt aber nicht mehr weiter. Eine rein negative Kritik ist nichts für mich. Und dennoch erlaube ich mir hier mein Leiden formulieren, welches aus der Diskrepanz zwischen meiner Vorstellungswelt und den mich umgebenden Tatsachen entspringt. Errico Malatesta bringt das an einer Stelle wunderbar auf den Punkt, wenn er schreibt:
„Wir sind alle gezwungen, im Widerspruch zu unseren Ideen zu leben. Ausnahmslos. Wir sind jedoch Anarchisten und Sozialisten, weil wir darunter leiden und versuchen, diesen Widerspruch so weit wie möglich zu minimieren. Wenn wir uns einfach an die gesellschaftlichen Verhältnisse anpassen, geht diese Dimension verloren und wir werden zu ganz normalen Bürgern; zu Bürgern ohne Geld vielleicht, aber nichtsdestotrotz zu Bürgern in unserem Denken und Handeln.“2
Im Artikel „Dem Morgenrot entgegen?“ ist vom wichtigen Thema der Alltags-Solidarität die Rede. Und ich weiß, dass auch Personen in meinem Umfeld sich mit diesem beschäftigen. Aber gibt es auch Gründe, warum es mir schwer fällt, mich auf diese umfangreich einzulassen. Zum einen sind da ganz individuelle Eigenheiten, Eigenbröteleien gewissermaßen, auf die ich nicht tiefer eingehen will. Sie gehen etwa in die Richtung eines hohen Bedarfs an Absprachen, eines Konfliktes zwischen Ruhebedürfnis und Gemeinschaftsorientierung oder der Angst vor gefühlten Erwartungen. Weil die meisten Personen, auf die ich mich beziehe, sehr eigen sind, ist dies nicht unbedingt ein Hindernis, sich verbindlich zusammen zu schließen. Zweitens ist für viele Menschen in meiner Umgebung ihre Lebensperspektive gleich meiner nach wie vor ungeklärt, was es mir selbst erschwert, mich langfristig zu orientieren. Immerhin scheint mir diese, meine, Orientierung an anderen ein Beleg für die Sozialität zu sein, welche Ausgangsbasis für eine stabile Gemeinschaftlichkeit wäre.
Drittens haben sich da Enttäuschungen angehäuft, die ich ebenfalls nur knapp umreißen möchte, da ich davon ausgehe, die meisten Menschen mit weiter Sehnsucht und großen Ansprüchen haben sie erlebt – nicht nur im kapitalistischen Spektakel insgesamt, sondern auch in linken Szenen selber. Da sind gescheiterte Kommunegruppen, sich verlaufende Freundschaften, auf der Stelle tretende politische Gruppen, erkaltete WG-Umfelder oder auch politische Orte, deren Betreten Unwohlsein hervorruft, weil sie mit Assoziationen von Konflikten, Leistungsdruck oder bestimmten Verhaltenserwartungen überlagert sind. Da sind die ganz persönlichen Träume und Bedürfnisse, welche enttäuscht wurden. Manche von ihnen wären vielleicht als jugendliche Schwärmerei oder Tatendrang zu bezeichnen. Damit sind sie jedoch nicht weniger berechtigt und weiterhin unerfüllt, wenn es heißt, dass wir auch – aus Notwendigkeit und Lust – für unsere Leben kämpfen…
Der vierte Grund für meine mangelnde Bereitschaft oder Fähigkeit, mich ernsthaft der Organisierung von Alltags-Solidarität zu widmen, ist anders gelagert und wiegt schwerer. Ich nenne ihn: Die Einsamkeit in der Radikalität.
Diese poetische Phrase klingt zunächst sehr abgehoben. So, als würde ich mich damit brüsten und herausheben wollen, dass ich es mir (aus ganz bestimmten Gründen!) leisten kann, radikale Ansichten zu kultivieren und dann über alle anderen zu urteilen, die meinen Vorstellungen nicht entsprechen können oder wollen. Doch mir geht es damit nicht um eine Inszenierung meiner Selbst oder etwa der Erschaffung einer „linksradikalen“ Figur, mit welcher ich den Maßstab für das aktivistische Soll festlegen möchte, gleich der realsozialistischen Leistungsnorm, die es zu erfüllen gälte. Im Gegenteil behaupte ich sogar, ein ausgeprägtes Gespür dafür zu haben, wo verschiedene Personen jeweils stehen und was ihre jeweils eigenen Möglichkeiten sind.
Die Motivation, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“, ist nichts, was vermittelt oder verbreitet werden könnte. Sie ist ungewollte Berufung. Sie entspringt dem intimsten und unbewusstesten subjektiven Leidensdruck und Gerechtigkeitsempfinden und ist daher tatsächlich Segen und Fluch zugleich – Menschen, die sie haben, kommen nicht umhin, mit ihr einen Umgang zu finden, sie abzutöten oder daran zu zerbrechen. Damit möchte ich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es gesellschaftliche Umstände sind, die solches Empfinden hervorrufen. Weil es sich also nicht um ein existenzielles Leiden handelt, weil seine Abschaffung im Bereich des Möglichen liegt, gehört dieses abgeschafft.
Dafür aber brauche ich keine „messianischen Bilder“ wie Ümit im Interview sagt. Was ich hier formuliere, ist die vermeintlich „egozentrische“ Perspektive der „ganz großen Befreiungshoffnung“, ohne, dass ich deswegen an eine „Weltrevolution“ glaube, wie Jesaja vermuten würde. Oder, dass ich – wie Anatol – denke, eine „Revolutionshoffnung“ würde lähmen und letztendlich den Rechten „in die Hände spielen“. Solche marxistischen Vorstellungen nannte Martin Buber „apokalyptische Eschatologie“, welcher er eine „prophetische Eschatologie“ entgegensetzte.3 Letztere möchte ich hiermit ausdrücklich teilen: Die Soziale Revolution ist nichts Abgehobenes, kein großer Knall, sondern ein stetiger und voraussetzungsvoller Prozess, in welchem konkrete Auseinandersetzungen geführt, solidarische Beziehungen geknüpft und neue egalitäre Institutionen aufgebaut werden. Wenn ich sage, dass dieses Ziel nicht nach der Bekämpfung des Faschismus und der Kompensierung der schlimmsten Verwerfungen des kapitalistischen Staates verwirklicht werden kann, sondern genau jenes der Weg dazu ist, formuliere ich damit kein Programm, sondern eine Perspektive. Mit dieser Anschauung ist was mich motiviert doch nicht, dass heute „einfach vieles besser geworden ist“ als in den „1950er-Jahren“, wie Tovio meint – ohne, dass ich deswegen die Erfolge sozialer Bewegungen leugnen will. Eben jene konnten mit solcher Haltung jedoch nicht errungen werden, sondern mit der Hoffnung darauf, dass es für alle nicht nur weniger kalt, sondern warm sein könnte… Wir sollten tatsächlich auf die prozesshafte Überwindung der derzeitigen Gesellschaftsordnung abzielen und gemeinsam eine neue emanzipatorische Großerzählung weben, um die schlimmsten Auswüchse der laufenden Katastrophe zu bekämpfen.
Was hat dies nun aber mit meiner persönlichen Situation, meiner „Einsamkeit in der Radikalität“ zu tun, ist berechtigterweise zu fragen. Ist sie als eine fetischisierte Revolutionsromantik abzutun, wie bei manch einem komischen Kauz Hammer und Sichel, Che Guevara oder die Straßenbarrikade, deren Nachahmung sich manche Insurrektionalist*innen, öfters eher Wutbürger*innen in Frankreich zu errichten erlauben, sicher jedoch niemand in der BRD? Nein, wenn ich von einer gewissen Einsamkeit in der Radikalität spreche, meine ich jene Erfahrung, die schon so manche*n von uns nach Leipzig, Berlin oder Hamburg gezogen hat. Die viele in die post-politischen Feier-Szenen, in die zahnlose Rechthaberei vieler linker Akademiker*innen, in blinden Aktionismus oder das dogmatische Sektierertum getrieben haben, während andere ihren als „jugendlich“ gelabelten Radikalismus einfach ablegten, vergaßen und verwässerten. Und unter „Radikalismus“ verstehe ich hier keine aufrechenbaren Taten, sondern eine Haltung zur Welt, die auf die unbedingte Veränderung des Ganzen abzielt, tief wurzelt und darum einen langen Atmen hat.
Doch wo sind die einstigen Gefährt*innen und Genoss*innen geblieben, mit denen ich solche Einstellung, nein Grundhaltungen, teilte? Oder bildeten und reden wir uns nur ein, dass wir sie geteilt hätten? Ist diese Beschreibung nicht allein schon eine Idealisierung der Vergangenheit, deren Unterschied zum Heute eigentlich nur darin besteht, dass wir mutiger, spontaner und energiegeladener, weil gedankenloser und weniger enttäuscht waren? Andererseits kann ich auch konkret benennen, welche Wege verschiedene Personen meiner Ansicht nach eingeschlagen haben, ohne, dass ich sie darauf festlegen möchte. Manche sind da, die hatten und haben viel mit sich selbst zu kämpfen und sich darin ziemlich verstrickt. Darum wünsche ich mir eine radikale Politik, die zu unserer eigenen Emanzipation beiträgt anstatt uns zu entfremden. Für andere greifen ihre Jobs in Form der Lebenszeit fressenden Lohnarbeit oder jene, in denen vermeintlich Selbstverwirklichung möglich ist. Doch ich finde keinen richtigen Umgang damit, wenn Freund*innen und Bekannte von der NGO-Arbeit, Bildungs- und Unijobs oder in der Politikberatung aufgesogen werden. Denn ich merke – schon ganz ohne selbst zu urteilen -, wie sie eigentlich an ihrer eigenen Zerrissenheit, der Diskrepanz zwischen ihren früheren Vorstellungen und der Realpolitik, für die sie sich verkaufen, leiden. Schließlich gibt es bei ihnen die Sehnsucht danach, raus zu sein, etwas ganz anderes zu tun, nach geteilter Autonomie, kollektiver Selbstbestimmung und echter Verantwortungsübernahme zu streben. Bei manchen aus dem linken politischen Umfeld um mich herum zeigte sich freilich im Zweifelsfall auch, dass sie im wesentlichen nur Fragmente und Rudimente linksradikaler Überzeugungen und Gedanken aufgesogen hatten, ohne sie jemals wirklich verinnerlicht zu haben. Der Wechsel zu einem angepassten, zynischen, pseudo-politischen Lifestyle war all zu schnell vollzogen.
Was ich mir dagegen vorstelle, ist viel und nicht viel zugleich: Ich wünsche mir, dass Leute Plakate, die in den Infoladen geschickt werden, selbstständig verkleben, dass wir uns weiterhin selbstbewusst raus wagen und anlassbezogen Banner an Autobahnen drapieren, dass ein Vortrag nicht danach beurteilt wird, ob die referierende Person die richtigen Szene-Codes beherrschte, sondern, ob ihre Aussagen für die Weiterentwickelung unserer Praxis etwas taugen, dass wir erkennen, dass Demos und Kundgebungen nur ein paar Mittel in einem weiten Spektrum an Handlungsmöglichkeiten sind, dass wir unsere begrenzte Zeit nicht auf zermürbenden Plena verschwenden, sondern uns in verbindlichen Bezugsgruppen organisieren, dass wir trotz aller Vorsicht uns nicht auf ein vermeintlich sicheres Szene-Geklüngel zurückziehen, sondern offen, anschlussfähig und bewegend werden. Und schließlich, dass wir und ich sehen, dass all dies ja auch geschieht.
Damit will ich ein Lob aussprechen – ein Lob des Basisaktivismus‘, welcher Parteipolitik und NGOs fernbleibt; der zugleich aber auch das Checkertum, die Exklusivität und Coolness vieler politischer Gruppen vermeidet, sondern ernsthaft nach Gemeinsamen in der Unterschiedlichkeit sucht. Nur solche Vergeschwisterung ist es, die meine Einsamkeit in der Radikalität zu überwinden ermöglicht und dann von sich aus dahin führt, unmittelbare solidarische Beziehungen im Alltag zu gestalten. So kann ich meinen persönlichen Schwur erneuern: Dass kein Stein auf dem anderen bleiben soll. Inzwischen beginne ich zu verstehen, dass damit gemeint war, mit diesen ein neues Haus zu bauen.


1
http://lirabelle.blogsport.eu/2018/11/21/dem-morgenrot-entgegen/

2
Zitiert in: Kellermann, Philippe (Hrsg.), Errico Malatesta, Anarchistische Interventionen, Einleitung, S. 7.

3
Buber, Martin, Pfade in Utopia, Heidelberg 1950, 24ff.

Hartmut Balzke – Opfer rechter Gewalt

Wenn überhaupt darüber gesprochen wurde, dann nur ungern und unter vorgehaltener Hand. Der sogenannte Triftstraßen-Mord oder Punker-Mord war lange Zeit eine nicht greifbare Erzählung. Die nun in diesem Jahr zur Erinnerung an den Mord an Hartmut Balzke stattfindende Veranstaltung von ezra (Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen) brachte Aufklärung. Doch warum bekam dieser rechte Mord keine Öffentlichkeit – nicht mal in den engen subkulturellen und linksradikalen Zusammenhängen? Es herrscht ein Schweigen, das durchbrochen werden muss. Wie das zu schaffen ist, müssen sich viele fragen lassen. Eins steht fest, wir dürfen nicht vergessen. Einer von uns wurde schwer verletzt, einer von uns ist tot. Ein Bericht von Eva.

Was geschah am 25. Januar 2003?

Hartmut Balzke besucht im Januar 2003 seinen Sohn in Erfurt. Den Abend des 25. Januar verbringen sie bei einer bekannten Punker-WG im Erfurter Norden. Dirk Q. und ein Begleiter, die der rechtsextremen Szene angehören, kennen diese mutmaßlich. Spätestens als sie bei den Punkern klingeln und angeblich „mitfeiern“ wollen, müssen sie gewusst haben, dass es sich um Angehörige einer Gruppe handelt, die sie in ihrer rechten Ideologie abwerten. Die Punker weisen die Nazis und ihre Aufforderung, sich auf der Straße prügeln zu wollen, ab. Der spätere Täter bewegt sich dann zum „Bierpub“ in der Triftstraße, einer bekannten Kneipe des rechten Hooligan-Spektrums ebenfalls in Ilversgehofen. Eine Gruppe der Punker will sowieso noch ins nahegelegene AJZ und macht sich in zeitlicher Nähe dazu auf den Weg. In der Triftstraße kommt es zu Auseinandersetzungen, in deren Folge Dirk Q. eine leichte Stichverletzung davonträgt. Er kehrt in die Kneipe ein und verlässt sie später erneut. Dann trifft er auf Hartmut und Sebastian, die beide stark alkoholisiert sind. Dennoch schlägt Dirk Q. beide unvermittelt mit voller Wucht nieder. Hartmut als auch Sebastian gehen direkt zu Boden. Der 48-Jährige Hartmut verliert daraufhin das Bewusstsein und stirbt zwei Tage darauf im Krankenhaus an den Verletzungen in Folge des Sturzes. Sebastian überlebt, nachdem noch auf ihn eingetreten wird. Doch erleidet er schwerste Verletzungen, u.a. eine Mittelgesichtstrümmerfraktur und ein Schädelhirntrauma.

Empathielos und unwillig – Rolle der Ermittlungsbehörden und der Justiz

Dirk Q. steht zu diesem Zeitpunkt mit 23 Jahren unter zweifacher Bewährung wegen einer Körperverletzung und dem Zeigen des Hitlergrußes. Untersuchungshaft – wie es in solchen Fällen üblich ist – wird nicht angeordnet. Erst ein Jahr später wird beim Landgericht Erfurt die Anklage eingereicht. Das Gericht erachtet sich, aufgrund des angeklagten geringfügigen Tatbestandes, für nicht zuständig und verweist die Klage 2006 – d.h. drei Jahre später – ans Amtsgericht. Letztlich beginnt der Prozess gegen Dirk Q. doch vorm Erfurter Landgericht im März 2008 – nun bereits fünf Jahre nach der Tat.
Für den hinterbliebenen Sohn von Hartmut und für Sebastian tritt Rechtsanwalt Sebastian Scharmer als Nebenklagevertreter auf. Er charakterisiert die Ermittlungen im Nachhinein als unwillig und empathielos. Bereits die Beweisfeststellung durch die Polizei sei fragwürdig gewesen. Beispielsweise sei erst einen Monat nach der Tat eine Hausdurchsuchung bei Dirk Q. durchgeführt worden. Entsprechende Kleidung kann zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gefunden werden, hatte dieser doch genug Zeit, sich entsprechend darum zu kümmern. Die Schuhe zu putzen, hatte er wohl aber vergessen, denn das Blut der Betroffenen wird daran festgestellt.
In Richtung der Tatmotivation wird von der Polizei dagegen nicht ermittelt. Dies führen Staatsanwaltschaft und Gericht fort, eine politische Dimension sei für sie nicht erkennbar gewesen, dokumentiert Scharmer. Die Zeugenaussagen von Nachbar*innen lasse jedoch Erahnen, dass es sich nicht um die bloße Reaktion eines nicht erbetenen Partygastes gehandelt haben konnte. Auch fünf Jahre nach dem Angriff ist den Nachbar*innen gegenwärtig, wie Dirk Q. den bewusstlosen Sebastian mit enormer Brutalität immer wieder gegen den Kopf tritt, „wie gegen einen Fußball“.
Das Urteil, welches im Juni 2008 – fünfeinhalb Jahre nach dem Angriff –, gesprochen wird, steht in keinem Verhältnis zur Tat. Dirk Q. wird wegen Körperverletzung mit Todesfolge an Hartmut und wegen einfacher Körperverletzung an Sebastian zu zwei Jahren Bewährung und 200 Arbeitsstunden verurteilt. Zu Gunsten des Täters wird festgestellt, dass der Angriff ein „heilsamer Schock“ für ihn gewesen wäre, so der Richter in der Urteilsbegründung. Nach dem 25. Januar 2003 sei Dirk Q. nicht mehr „auffällig“ gewesen und verfüge gar durch den geleisteten Wehrdienst und eine feste Beziehung über eine günstige Sozialprognose. Die rechte Tatmotivation wird weder thematisiert, noch anerkannt. Hartmut Balzke ist nicht als Opfer rechter Gewalt anerkannt. Dass ein Nazi einen Menschen tötet, weil er einer aus seinen Augen minderwertigen Gruppe angehört, spielt im Verfahren keine Rolle. Vielmehr reproduzieren auch die Medien in der Berichterstattung das Bild der randständigen Punks, wie Nebenklagevertreter Scharmer auch zur Veranstaltung im Januar 2019 berichtet. Im Gegensatz zu Dirk Q. muss ein Punker, der als Zeuge aussagt, wegen einer nicht beglichenen Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen, er wird während des Verfahrens inhaftiert. Dies führt zum Gesamteindruck, dass rechte Gewalt gegen Punks weniger problematisch sei. Eine öffentliche Solidarisierung mit den Betroffenen bleibt aus, so wie es auch aktuell in Saalfeld oder Eisenach zu erleben ist.

Die Widersprüchlichkeit zwischen dieser sich bahnbrechenden, ideologisch legitimierten Gewalt und der De-Thematisierung des Kontextes der Tat sowie der Milde des gesprochenen Urteils ist nur eine scheinbare. Vielmehr setzt sich in der Art und Weise der rechtsstaatlichen Bearbeitung fort, was Personen aus marginalisierten Personengruppen – wie eben Punks, aber auch Geflüchtete, … oder Menschen, die ihren jüdischen Glauben nach außen sichtbar machen – potentiell im Alltag erleben. Dies spitzt sich zu, wenn es zu Schuldvorwürfen durch die Ermittlungsbehörden und die Öffentlichkeit kommt, die das Auftreten einer Gruppe schon als Provokation bewerten und den eigentlichen Angriff damit bagatellisieren. Betroffene werden mitunter als Täter dargestellt, die damit Verantwortung für den ihnen zugefügten Schaden zugesprochen bekommen. Und wieder ist ein Grund gefunden, sich von randständigen Gruppen zu distanzieren und Solidarität zu verweigern.

Perspektive einnehmen und Position beziehen

Die Perspektive der (potentiell) Betroffenen ist die, die wir für die erinnerungspolitische Arbeit einnehmen sollten, um damit zugleich die gesellschaftliche Bedingtheit der konkreten Tat nicht außer Acht zu lassen. Unsere Erinnerung kann Kritik an der rechtsstaatlichen Realität sein, welche sich im Konkreten in der juristischen Aufarbeitung ausdrückt. Unsere Erinnerung kann Kampf gegen die De-Thematisierung und Nicht-Anerkennung rechter Gewalt sein. Unsere Erinnerung kann damit auch die Weitergabe von Erfahrungen und Wissen sein. Nur eines soll sie nicht sein: Schweigen und ein Verharren darin.
Für die Geschichte Erfurter subkultureller und linksradikaler Zusammenhänge soll das bedeuten, die Erinnerung aufzubewahren und anknüpfbar zu machen für gegenwärtige Kämpfe und Auseinandersetzungen.
Im Mai 2008 – kurz vor der Urteilsverkündung – gründete sich der Infoladen Sabotnik im Besetzten Haus. Mit einem linken Bewegungsarchiv, einer Bibliothek und dem Angebot, Termine, Ereignisse etc. bekannt zu machen und eine Plattform für Debatten anzubieten, ist er auch heute noch aktiv. Ein Infoladen ist Teil einer Infrastruktur, die von vielen genutzt werden kann – so auch die Lirabelle. Der Infoladen ist Teil des vetos, welches nach der einschneidenden Räumung ein selbstverwalteter Raum in Erfurt seit 2011 ist. Wo findet ihr das Veto und den Infoladen? Im Erfurter Norden – unweit der Triftstraße in Ilversgehofen.

Wie kann ein Gedenken an Hartmut Balzke im Januar 2020 aussehen? Redet darüber, hört auf zu schweigen.

Allein im Kampf gegen Umgänglichkeit

Am 21. Dezember 2018 starb Wolfgang Pohrt. Mit Pohrt ging einer der wichtigsten Theoretiker der antideutschen Linken, ein Ideologiekritiker, der sich niemals in den Dienst irgendwelcher Bewegungen stellte, sondern sich bis zuletzt als linker Intellektueller nur einer Sache verpflichtet fühlte, der Wahrheit über diese Gesellschaft. Ein Nachruf von Ox Y. Moron.

In seiner Minima Moralia beschreibt Adorno 1942 einen Sachverhalt, dessen Konsequenz sich der Adorno-Schüler Pohrt zum Leitfaden seines politischen Handelns machen sollte. Adorno notiert darin, das Verhängnis von Umgänglichkeit, einer Einverständnis signalisierenden Höflichkeit, in einer Gesellschaft, die gerade dem industriellen Massenmord in Europa zuschaut und die gegen solche Barbarei scheinbar keinerlei wirksame Immunisierung oder Gegenwehr entwickelt hat. Er schreibt über Umgänglichkeit in einer Gesellschaft, in der wie Max Horkheimer bemerkte, Hunger kein Grund zur Produktion ist, wo Menschen verrecken, obwohl der Stand der Produktivkräfte ohne Weiteres alle Erdenbürger mit dem Nötigsten versorgen könnte.

„Das Zufallsgespräch mit dem Mann in der Eisenbahn, dem man, damit es nicht zu einem Streit kommt, auf ein paar Sätze zustimmt, von denen man weiß, daß sie schließlich auf den Mord hinauslaufen müssen, ist schon ein Stück Verrat; kein Gedanke ist immun gegen seine Kommunikation, und es genügt bereits, ihn an falscher Stelle und in falschem Einverständnis zu sagen, um seine Wahrheit zu unterhöhlen. […] Umgänglichkeit selber ist Teilhabe am Unrecht, indem sie die erkaltete Welt als eine vorspiegelt, in der man noch miteinander reden kann, und das lose, gesellige Wort trägt bei, das Schweigen zu perpetuieren, indem durch die Konzessionen an den Angeredeten dieser im Redenden nochmals erniedrigt wird. […] Für den Intellektuellen ist unverbrüchliche Einsamkeit die einzige Gestalt, in der er Solidarität etwa noch zu bewähren vermag. […] Alles Mitmachen, alle Menschlichkeit von Umgang und Teilhabe ist bloße Maske fürs stillschweigende Akzeptieren des Unmenschlichen.“

Für den Intellektuellen Wolfgang Pohrt wurde die Absage an jede Form von Umgänglichkeit sowie zur Teilhabe an kopflosen Organisationsversuchen der Linken zu einer Triebfeder seines Schaffens. Und dieses Schaffen lässt sich grob in drei Phasen einteilen.

1. Der marxistische Theoretiker

Im Jahr 1976 promovierte Pohrt mit seiner Studie „Theorie des Gebrauchswerts“. Er ging darin einer Tendenz nach, die zuerst Hans-Jürgen Krahl und später auch Stefan Breuer beschrieben; dem Verdacht, dass der Kapitalismus systematisch durch eine potenzierende Verdinglichung die Bedingungen und Möglichkeiten, die seine Aufhebung oder Veränderung in grundsätzlicher Weise denkbar machen könnten, zerstört. Konkreter: Er zerstört die Erfahrung der Gegenstände, der Gebrauchswerte, an der sich helles, waches Bewusstsein aufrichten und an der sich aufhebende Kritik entzünden könnte und er zerstört die Bedingungen, die eine Umwälzung in fortschrittlicher Absicht möglich machen könnten: Die Entwicklung der Produktivkräfte bis zur Grenze der Belastbarkeit für das Produktionsverhältnis und die Möglichkeit der Einsicht in die historische Chance, sich von notwendiger, bloß den Leib reproduzierender Arbeit zu befreien.
Pohrts Studie zum Verfall des Gebrauchswerts in modernen Gesellschaften nimmt, ausgehend von Marx Analyse der Ware als Tausch- und Gebrauchswert zugleich, eine Unterscheidung des Gebrauchswerts in trivialen Gebrauchswert (Gegenstände des unmittelbaren Gebrauchs) und den durchs Kapital gesetzten Gebrauchswert im emphatischeren Sinne vor: Die Abschaffung von notwendiger Arbeit, von Not, Unterdrückung und Ausbeutung überhaupt. Der Gebrauchswert der durch das Kapital gesetzten (Mehr-)Arbeit ist ihr Einsatz für ihre Abschaffung, also die Abschaffung der Arbeit durch Arbeit. Darin nur kann ihr gesellschaftlicher und historischer Zweck bestehen.
Pohrt bestimmt also mit Marx den Gebrauchswert nicht bloß als Oberbegriff handfester Gebrauchsgegenstände, sondern als ein der Arbeit innewohnendes Potential, sich selbst sukzessiv abzuschaffen. Doch das Gegenteil findet statt: Je klarer man ihren Untergang angesichts von Maschinisierung, Rationalisierung, neuer Produktionsmethoden, etc. erkennen müsste, umso lauter wird die Arbeit zum Maß aller Dinge erklärt. Solches Verhalten ist aber keineswegs bloß irrational, sondern es ist auch rational in der Weise, dass eben Arbeit immer noch die (unhinterfragte) Bedingung der Reproduktion des Einzelnen ist. Dass sich aber keine entscheidende politische Bewegung findet, die diese metaphysische Verheißung einlöst, ist das Verhängnis. So schreibt Pohrt: „Weil die Arbeit ihren durchs Kapitalverhältnis gesetzten Zweck [ihre eigene Abschaffung] unter eben diesem Kapitalverhältnis nicht erreichen kann – es setzt die Arbeit nur als Befreiung von kreatürlicher Not, indem es den Arbeiter als bedürftige Kreatur setzt –, wird die Realisierung ihres Gebrauchswerts zur politischen Frage, ob die sozialistische Revolution gemacht wird oder nicht.“ Jene Revolution, von deren Eintreten Marx überzeugt schien, blieb aus. Die Folgen für die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und ihrer Gebrauchswerte sind verheerend.
Jene Folgen, die Pohrt konstatiert, sind knapp umrissen und mit einem Wort von Marx: die „Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise selbst“ und der Zerfall der kapitalistischen Vergesellschaftungsweise in ein System von Banden. Damit greift Pohrt die in den 1940er Jahren von Horkheimer entwickelte Rackettheorie auf. Das Racket beschreibt eine neue Form von Herrschaftsausübung durch eine durch vorkapitalistische Ehrbegriffe zusammengehaltene Gruppe, die ein ihr prinzipiell widersprechendes, immer noch durch den Markt vermitteltes Außen zu steuern sucht. In seinem Aufsatz „Die Juden und Europa“ schreibt Horkheimer dazu: „Die Ausbeutung reproduziert sich nicht mehr planlos über den Markt, sondern in der bewußten Ausübung der Herrschaft. Die Kategorien der politischen Ökonomie: Äquivalententausch, Konzentration, Zentralisation, sinkende Profitrate haben heute noch reale Gültigkeit, nur ist ihre Konsequenz, das Ende der politischen Ökonomie, erreicht. […] Sie [die monopolistische Ökonomie] ist jedoch in die Praxis planmäßiger Gewalt eingegangen, die die sozialen Gegensätze unmittelbar zu meistern sucht.“ Das Racket als einen neuen, die alten Formen auflösenden Zusammenhang von Gewalt, Ausbeutung und Herrschaft analysiert Pohrt an konkreten gesellschaftlichen Entwicklungen in seinem 2000 erschienen Buch „Brothers in Crime“.

2. Der Essayist – Einer gegen alle

Eine akademische Karriere eröffnete sich für Pohrt nicht, auch wenn er mehrere Jahre an der Universität Lüneburg als wissenschaftlicher Angestellter tätig war. Er betätigte sich in der Folge als Schriftsteller bzw. Essayist. Pohrt publizierte vor allem in der Konkret, aber auch in linksliberalen Zeitschriften wie der taz, dem Spiegel, der Zeit oder der Frankfurter Rundschau. Bereits in seiner Zeit an der Uni Lüneburg schrieb Pohrt erste Texte, die dann 1980 in seinem beim Rotbuch-Verlag herausgegebenen Buch „Ausverkauf“ erschienen. Darin befinden sich u.a. äußerst lesenswerte Texte zur Aktualität des deutschen Faschismus. In „Nationalsozialismus und KZ-System“ widmet sich Pohrt der vergeblichen Suche nach dem Grund für die Vernichtung der Juden im Holocaust und in einer Rezension über das Buch der KZ-Überlebenden Hanna Lévy-Hass der Frage, was das Leben in den Konzentrationslagern für die Welt nach Auschwitz bedeutet.
Drei Jahre später erschien mit „Endstation“ das zweite und letzte Buch Pohrts im Rotbuch-Verlag, mit dem sich Pohrt überwarf. Darin befanden sich, wie auch in den folgenden Büchern, die im Tiamat-Verlag erschienen, erste Aufsätze zur Kritik der neuen Friedensbewegung, darunter Pohrts vielleicht bekanntester Text „Ein Volk, ein Reich, ein Frieden“, den nach Ablehnung von Konkret zuerst die Zeit 1981 veröffentlichte. Von da an war Pohrt für knapp zehn Jahre als publizistischer Einzelkämpfer und gnadenloser Polemiker gegen rechte Ideologie innerhalb der politischen Linken aktiv.
Dem Satz Adornos folgend, dass nur in der Übertreibung des Düsteren, in der Polemik sich die Wahrheit über einen Gegenstand einerseits retten und andererseits sichtbar machen lasse, wurden Pohrts Analysen und Kritiken geliebt und gehasst. Geliebt von jenen, denen die Harmonie und Borniertheit im linken, grünen oder friedensbewegten Milieu zuwider war. Gehasst von jenen, die nicht begreifen wollten oder konnten, dass ihr häufig linkes Selbstverständnis nur Maskerade für die Tatsache war, dass sie ihr Deutschtum, die Gegenwart der deutschen Vergangenheit niemals abschütteln konnten, dass sich das Nachleben des Nationalsozialismus einen festen Platz in jenen Milieus sicherte, die glaubten besseres zu wollen. Und so reagierten die von Pohrts Kritik Betroffenen zumeist mit Abwehr.
Und er verscherzte es sich mit allen. Die deutsche Friedensbewegung kritisierte er als deutschnationale Erweckungsbewegung, die Ökologiebewegung als völkische Heimatschützer und die antiimperialistische deutsche Linke als Vorposten jener Antisemiten, die die von den deutschen begonnene totale Vernichtung der Juden mit einem Atomschlag gegen Israel vollenden wollten. Niemand vermochte es wie Wolfgang Pohrt in den 80er-Jahren so sehr, die nationalistischen, antisemitischen und geschichtsrevisionistischen Untertöne der Friedensbewegung, die völkisch unterlegte „Zurück-zur-Natur“-Ideologie der Grünen und die antizionistisch motivierte Palästinasolidarität der deutschen Linken zu sezieren und gegen diese Bewegungen in Stellung zu bringen.
Im Jahr 1990 wurde Wolfgang Pohrt von Jan Philipp Reemtsma mit einer Langzeitstudie zum Massenbewusstsein der (Ost-)Deutschen zur Zeit der deutschen Wiedervereinigung beauftragt. Und Pohrts Analyse bot auch in den Folgejahren das Kontrastprogramm zur herrschenden Geschichtsschreibung der sogenannten friedlichen Revolution. In seinem Buch „Das Jahr danach“ von 1992 resümiert Pohrt:

„Als wüßten alle, daß die spektakulären Umwälzungen eine ziemlich scheußliche Welt perpetuieren, kam über das Erreichte nirgends Jubel auf. Der abermalige Sieg dessen, was immer war, hieß nur, daß die Menschheit auf keine Entwicklung mehr hoffen durfte, die sich wesentlich von der bisherigen Geschichte unterscheiden würde. Es war ein resignativer Triumph, ein Triumph der Trostlosigkeit, der zwei Jahre lang teils mit zusammengebissenen Zähnen, teils mit kindischer Zerstörungslust gefeiert wurde, denn kein neues Zeitalter brach an, sondern die nächste Runde im ewigen alten Spiel, wer wen hauen, und wer das Mehrprodukt aufessen darf. Auch deshalb war die Vorstellung, die Menschen als vernunftbegabte Wesen nähmen ihr Geschick in die eigenen Hände, noch nie so tot wie in der Zeit, wo angeblich vom Verlangen nach Demokratie beseelte Massen dauernd Geschichte machten.“

Neben der Analyse der wirklichen Rolle des vermeintlich revolutionären Subjekts in Ostdeutschland, das angeblich die herrschenden Eliten weg fegte und das Pohrt als antikommunistische Propagandalüge bloßstellte, ging es Pohrt vor allem auch um die Einstellungen in der deutschen Gesellschaft zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung. Schon in den ersten Wendejahren warfen die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda ihre Schatten voraus und kaum einer vermochte es wie Wolfgang Pohrt, die gesellschaftlichen Bedingungen der rassistischen Terrorwelle der kommenden Jahre zu analysieren.
In diesem Zusammenhang legendär geworden, ist Pohrts Auftritt auf dem Konkret-Kongress 1993, in der er den Rassismus der ostdeutschen Gesellschaft als schweren Webfehler der gesellschaftlichen Konstitution analysiert, d.h. den Rassismus der brandschatzenden Ostdeutschen materialistisch herleitet aus den sozioökonomischen Entwicklungsbedingungen dieser Gesellschaft. Angegangen wurde Pohrt dafür in legendärer Weise von dem sich in Rausch redenden Marxologen Karl Held, der Pohrt vorwarf, er negiere Wille und Bewusstsein der Handelnden und reduziere die Ostdeutschen auf konditionierte Vollstrecker, deren Handeln völlig überhöht werde. Schließlich sei die ostdeutsche „Ausländeranzünderei“ nur eine Fußnote des Imperialismus, der von dieser Nation ausgehe. Überhaupt sei Pohrts pointierte Polemik nichts als abgehobene Dichterei von einem, der lieber mal die Preisfrage bei Marx studieren sollte. Wer sich zum Zwecke bewegungsgeschichtlicher Bildung oder zur abendlichen Unterhaltung die noch erhaltenen Videoausschnitte dieser Konferenz ansehen will, findet sie mit wenigen Klicks auf Youtube.

3. Rückzug

Mitte der 1990er Jahre hörte Pohrt auf zu schreiben und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Zur Exkommunikation Pohrts aus der antideutschen/antinationalen Linken, die ihn einst feierte, diente ein Podiumsbeitrag und die anschließende Veröffentlichung und Verteidigung in seinem Buch „FAQ“ von 2003, in dem Pohrt behauptete, dass Rassismus und Antisemitismus in Deutschland kein großes Problem mehr seien, weil sich die alternde deutsche Gesellschaft heute eher um Rente und Zahnersatz kümmere. Der große Wurf waren Pohrts Pöbeleien aus dem Off sicher nicht. Aber sie animierten dazu, lieb gewonnene Gewissheiten einmal zu hinterfragen.
Den Grund für seinen – hin und wieder unterbrochenen – Rückzug verriet Pohrt Jahre zuvor. Während der Ideologiekritiker Pohrt es als seine Aufgabe sah, das falsche Bewusstsein, das die öffentliche Debatte prägte – konkret etwa: die rechte Ideologie innerhalb sich als links verstehender Bewegungen – zu kritisieren, sei dieses falsche Bewusstsein längst zugunsten der Absenz jeden Bewusstseins überhaupt verschwunden – eine Tendenz, die Adorno schon in den 1960er-Jahren konstatierte. Das Wesen von Ideologie, nämlich wahr und zugleich unwahr zu sein, verändere sich analog zur Ware. Wie die Ware ihren Gebrauchswert abstreift, so wirft Ideologie ihr Wahrheitsmoment ab. Sie wird zu totaler Ideologie, zu einem Denken, das nicht mehr geglaubt, sondern befolgt werden soll. An die Stelle der ideologischen Vermittlung der Wirklichkeit treten direkte Herrschaftsdirektiven und ohnmächtige Gefolgschaft. Im eigentlichen Sinne von notwendig falschem Bewusstsein gibt es dann keine Ideologie mehr, sondern „bloß noch die Reklame für die Welt durch deren Verdopplung, und die provokatorische Lüge, die nicht geglaubt werden will, sondern Schweigen gebietet“ (Adorno).
Ob es das vermeintliche Ende von Ideologiekritik war, das Pohrt zum Schweigen brachte oder die fehlende Motivation immer die gleichen Muster innerhalb der kapitalisierten Gesellschaft und ihrer Linken zu kritisieren oder die Resignation darüber, es vielleicht besser zu wissen, aber mit diesem Wissen nichts dagegen auszurichten, dass es einfach immer so weiter geht mit der Zurichtung der Welt und ihrer Insassen? So genau weiß das vermutlich niemand. Die Äußerungen seines Verlegers Klaus Bittermann hinsichtlich seiner Bemühungen, Pohrt wieder zum Schreiben zu bringen, lassen auf Letzteres schließen. Und auch Pohrts letzte beiden Bücher legen den Verdacht nahe, dass da jemand resigniert haben könnte.
Schließlich rechnet Pohrt nochmal mit allem ab, was auch sein eigenes Schaffen motiviert hat: Die Marxlektüre sei sinnlos gewesen, denn, wenn alle erst, wie er, jahrelang Marx studieren müssten, um den Kapitalismus zu beenden, werde das nichts mehr. Und überhaupt, vielleicht, so Pohrt, repräsentiere der Kapitalismus auch so etwas wie die Natur des Menschen. Vielleicht sei der Mensch „einfach so gebaut, dass er seine Erfüllung im Kapitalismus findet“, schreibt Pohrt 2013 in „Kapitalismus forever“. Auch hier bricht Pohrt wieder mal mit früher gewonnenen Erkenntnissen; etwa der, dass der Mensch im Kapitalismus nicht zu seiner Natur gefunden hat, sondern höchstens dass er aus seiner „zweiten“, nämlich gesellschaftlichen, Natur ein Gefängnis gemacht hat, in dem er nun zu leben meint.
Und trotzdem will ich diese Veröffentlichungen nicht als Abgesang auf die eigene Vergangenheit oder gar als Bruch mit ihr lesen. Schließlich nahm Pohrt nie Rücksicht auf einmal gewonnene Erkenntnisse, hatte wenig Interesse an der eigenen Sakralisierung als Symbolfigur antideutscher Einzelkämpfer und blieb dem Theorem Adornos treu, wonach die Absage an Umgänglichkeit im universellen Unrecht der bestehenden Gesellschaft, nicht Resignation bedeutet, sondern eine Voraussetzung ihr im Denken zu widerstehen.


Aktuell erscheint im Tiamat-Verlag eine Werkausgabe Wolfgang Pohrts, herausgegeben durch Pohrts langjährigen Verlege Klaus Bittermann. Jedes des hier verlegten Bücher sei hiermit zur Lektüre empfohlen.

28.5. in Jena: Kritische Veranstaltung zu Gefängnismedizin

Das Medinetz Jena organsiert für den 28. Mai, von 18 bis 20 Uhr, eine Veranstaltung mit einem Gefängnisarzt, in der sich – zumindest der Ankündigung nach – kritisch mit der medizinischen Versorgungssituation in deutschen Gefängnissen auseinandergesetzt wird. Wir von der GG/BO-Soligruppe Jena freuen uns über die Initiative, werden auch selbst vor Ort sein und rufen […]

Es nimmt kein Ende: Noch eine Zellenrazzia bei Chemnitzer GG/BO-lerin Sandra

Uns wurde mitgeteilt, dass die Zelle der engagierten Gefangenen und Gefangenen-Gewerkschafterin Sandra aus der JVA Chemnitz, gestern, am 16. Mai, während sie bei einem Gerichtstermin war, wieder durchsucht wurde. Der Hintergrund der Zellendurchsuchung ist noch unklar. Die Aktion reiht sich ein in eine ganze Serie von Razzien: eine Razzia im September 2018, eine im Oktober […]

Am 25. Mai alle auf nach Annaberg/Buchholz!

Am 25. Mai werden wieder christliche Fundamentalist*innen und andere rechte Abtreibungsgegner*innen in Annaberg/Buchholz aufmarschieren. Als sogenannter „Schweigemarsch für das Leben“ versammeln sich Sexist*innen unterschiedlicher politischer Coleur mit dem Ziel, das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper von Frauen und Transpersonen noch weiter einzuschränken. Wir werden das nicht hinnehmen! Es gilt, ihnen auch in diesem Jahr den Tag [...]

„Wer im Glashaus sitzt…“ – Kommentar zur Debatte um Rekommunalisierung und Enteignung

Frank Emrich – Direktor des größten Lobbyverbands der Wohnungsunternehmen im Freistaat (genannt Verband Thüringer Wohnungswirtschaft) – zeigt sich vor den anstehenden Kommunalwahlen besonders umtriebig. Nachdem er jüngst ernsthaft behauptete, dass es bei den Mietpreisen in Thüringen noch viel „Spielraum nach … Continue reading

Zschächners §129-Verfahren: ‚Sperrt die Linken ein!‘

Mitteilung der Roten Hilfe OG Erfurt, Jena, Südthüringen Mai 2019 Zschächners §129-Verfahren: ‚Sperrt die Linken ein!‘ Wie durch eine parlamentarische Anfrage des Landtagsabgeordneten Steffen Dittes öffentlich wurde, läuft in Thüringen seit dem 21.02.2018 ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß §129 StGB, das der „politischen Kriminalität links“ zugeordnet wird. Dieses liegt in der Hand der Staatsanwaltschaft [...]

Am 25. Mai alle auf nach Annaberg/Buchholz!

Am 25. Mai werden wieder christliche Fundamentalist*innen und andere rechte Abtreibungsgegner*innen in Annaberg/Buchholz aufmarschieren. Als sogenannter „Schweigemarsch für das Leben“ versammeln sich Sexist*innen unterschiedlicher politischer Coleur mit dem Ziel, das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper von Frauen und Transpersonen noch weiter einzuschränken. Wir werden das nicht hinnehmen! Es gilt, ihnen auch in diesem Jahr den …

Solidaritätsveranstaltung für politische Gefangene in Italien und Russland am 17. Mai in Jena

Eine anarchistische Initiative aus Jena lädt für den 17. Mai 2019 ab 19 Uhr ins FAU-Gewerkschaftslokal “Milly Witkop” in der Bachstr. 22 in Jena zu einer Solidaritätsveranstaltung für politische Gefangene in Italien und Russland ein. Wir begrüßen die Initiative und rufen alle dazu auf, an der Veranstaltung teilzunehmen. Lange Nacht der Solidarität Solidarität mit den […]

JVA Untermaßfeld behindert Gefangenen-Gewerkschaft

Mehrere Schreiben an Neumitglieder der GG/BO in der thüringischen JVA Untermaßfeld wurden nach Angaben inhaftierter Mitglieder zurückgehalten. Der Vollzugsabteilungsleiter habe einem Gefangenen mitgeteilt, dass er die Post mit Gewerkschaftsmaterialien wie der Zeitschrift outbreak, aktuellen Veröffentlichungen von ggbo.de und Mitgliedsanträgen nicht aushändigen werde, da es sich um nicht-genehmigte Beilagen handele. Weiterhin habe er den Gefangenen gefragt, […]

STÄDTE FÜR ALLE! – Auf zur Thüringer Mietparade am 12. Mai in Jena!

Gemeinsam mit Mieter*innen aus ganz Thüringen werden wir am 12. Mai in Jena gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung auf die Straße gehen! Für einen radikalen Kurswechsel in der Stadt- und Wohnungspolitik und ein Ende der kapitalistischen Wohnungskrise! Alle Infos zur Demonstration und dem anschließenden „Stadt für ALLE“ – Fest gibt´s auf: thueringer-mietpara.de Wir dokumentieren hier den [...]

Pressemitteilung: Hohe Mieten in Jena sind keine Fantasie!

Mieterinitiativen kritisieren Lobbyismus der Wohnungswirtschaft: Pünktlich zum Auftakt des Thüringer Wahljahres geht die organisierte Wohnungswirtschaft in die Offensive. Interessenvertreter der Wohnungsunternehmen sehen „Wohnungspopulismus“ am Werk und bei den Mietpreisen „Luft nach oben“. Drei Jenaer Mieterinitiativen (Recht auf Stadt, Bürgerinitiative für … Continue reading

Heraus zum 1. Mai!

Der 1. Mai ist wichtiger Bezugspunkt der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung. Am 1. Mai 1886 begann in Chicago ein Streik gegen den 12-Stunden-Tag und schlechte Löhne. Der mehrtägige Streik mündete im sogenannten ‚Haymarket Riot‘, wo bei Auseinandersetzungen Streikende von der Polizei erschossen wurden. Seitdem ist der 1. Mai weltweit Kampftag der Arbeiter*innen für ihre Rechte. Auch …

Unser Selbstverständnis!

Nie wieder Faschismus? Wir leben in einer Welt die immer weiter verroht. Reiche werden immer reicher und die große Mehrheit immer ärmer. Die Kriegsgefahr steigt. Die Menschheit schlittert sehenden Auges in eine ökologische Katastrophe. Zeitgleich schwindet die Solidarität unter den Menschen und Menschenfeindlichkeit und Gewalt nehmen zu. Öffentliche Diskurse sind durchzogen von Rassismus und Frauenfeindlichkeit, von Nationalismus und Chauvinismus, während gleichzeitig Tausend verzweifelte Menschen an den Grenzen Europas dem Tod überlassen werden. Weltweit ist die Rechte auf dem Vormarsch. Von Trump bis Orban über Bolsonaro hin zur AfD. Rechtspopulistische und faschistische Parteien erzielen Wahlerfolge, während auf den Straßen faschistische Übergriffe gegen Andersdenkende und Minderheiten zunehmen. Gleichzeitig taumelt der Kapitalismus von Krise zu Krise, von Krieg zu Krieg und hinterlässt dabei eine Spur von Abstieg, Armut, Zerstörung und Spaltung. Erkämpfte Freiheitsrechte werden immer weiter zurückgenommen. Die bürgerlichen Freiheits- und Gleichheitsversprechen wurden nicht eingelöst, wie uns beispielsweise die Ungleichbehandlung der Geschlechter zeigt. Der Kapitalismus hat also der Mehrheit der Menschen keine Perspektive zu bieten. Viel mehr steht er einer freien und friedlichen Entfaltung der Menschheit im Weg. Wir müssen uns der faschistischen Gefahr organisiert entgegenstellen. Wo der Faschismus auftritt, muss er bekämpft werden. Gleichzeitig geht es um mehr. Es geht auch darum für eine freie, gerechte und friedliche Welt zu kämpfen. Das geht nur gegen den Faschismus und damit gegen den Kapitalismus.

Was heißt eigentlich Faschismus? Der Faschismus ist gekennzeichnet durch eine offene Gewaltherrschaft, eine politische Diktatur die terroristisch gegen ihre Gegnerinnen und Gegner vorgeht. Fester Bestandteil der faschistischen Ideologie sind außerdem ein extremer Nationalismus und eine enorme außenpolitische Aggressivität. Gleichzeitig stellt der Faschismus an der Macht keinen Bruch mit der kapitalistischen Ausbeutung dar. Vielmehr ist er die totalitäre Zuspitzung des Kapitalismus selbst. Er ordnet alle gesellschaftlichen Interessen den Profitinteressen des Kapitals unter. Faschismus und Kapitalismus sind also aufs engste miteinander verbunden. Wenn der Kapitalismus ernsthaft durch eine fundamentale Krise, oder starke soziale und demokratische Bewegungen bedroht ist, können die kapitalistischen Eliten der parlamentarischen Demokratie den Rücken kehren und zu einer noch aggressiveren Durchsetzung ihrer Interessen übergehen. Jedoch bringt der Kapitalismus als Gesellschaftssystem die Spaltungsideologien, die der Faschismus nutzt, bereits hervor. Der Faschismus setzt sie dann in verschärfter Form fort. Die grundsätzlichste Spaltungslinie im Kapitalismus ist die zwischen Kapital und Arbeit, also zwischen den Besitzenden, die von der Arbeit der anderen Leben und durch diese immer reicher werden, und den Lohnabhängigen. Aufgrund dessen stehen im Kapitalismus alle Menschen in ständiger Konkurrenz zueinander. Diese wird durch zusätzliche Spaltungslinien wie Rassismus weiter angeheizt und verschärft. Die Faschisten greifen auf mediale und politische Stimmungsmache gegen Ausländer, Arme und Linke zurück. Die rechtspopulistische Bewegung spricht diejenigen Teile der Bevölkerung an, die zunehmend von Entsicherung der sozialen Verhältnisse betroffen sind oder aus der Beobachtung jener Entsicherung Abstiegsängste entwickelt haben. Wenn die Faschisten sich manchmal antikapitalistisch und sozial geben, sich als „anti-establishment“ darstellen, so ist das Augenwischerei. Sie betreiben soziale Hetze und inszenieren eine Scheinrebellion. Sie wettern gegen die herrschenden Eliten, die korrekterweise als verantwortlich für die sich verschärfende soziale Lage gemacht werden. Verschweigen allerdings, dass hinter den „neuen Rechten“ häufig ganz ähnliche Eliten stehen, und die neue und die alte Rechte ebenso wenig im Interesse der Lohnabhängigen handeln werden. Die Faschisten benennen nicht die Profiteure von Ausbeutung und Ungleichheit. Sondern schaffen neue Feindbilder, wie „den Ausländer“, heute besonders Moslems, als unmittelbare Feinde der deutschen Arbeiterklasse. Die Grenzen zwischen bürgerlicher Mitte und Rechtsaußen sind deutlich fließender als es uns die Extremismustheorie weismachen will. Weder Nationalismus und Rassismus, noch Kriege und Sozialabbau oder Entdemokratisierung und Polizeistaat sind die Alleinstellungsmerkmale der
Faschisten. Auch die kapitalistische, parlamentarische Demokratie wird immer autoritärer.

Antifaschismus muss praktisch sein! Wenn wir die Faschisten stoppen wollen, müssen wir uns organisieren und aufzeigen in wessen Interesse die Faschisten handeln. Die Antifaschistische Aktion Jena beteiligt sich daran Aktionen der Faschisten zu verhindern, um ihre Propaganda- und Organisationsfähigkeit zu lähmen. Mit Reden und Flyern betreiben wir Aufklärung über den Charakter des Faschismus und der faschistischen Hetzer. Auch außerhalb von Demonstrationen betreiben wir Aufklärungs- und Bildungsarbeit und enttarnen dabei die Menschenfeindlichkeit und Scheinrebellion der Faschisten. Gleichzeitig gewinnen wir auf lange Sicht den Kampf gegen den Faschismus nicht, wenn wir nicht auch seine Wurzeln bekämpfen und ihm den Nährboden entziehen. Wir kämpfen dafür, dass kein Mensch in eine Lage versetzt wird, in der er oder sie den einzigen Ausweg im nach unten Treten sieht. Event- Aktionismus oder moralische Fingerzeige werden uns dabei nicht weit bringen. Um erfolgreich zu sein müssen wir uns organisieren und auf unsere kollektive Kraft vertrauen. Bündnisse mit der sogenannten „politischen Mitte“ helfen uns nicht. Denn es ist dieselbe „politische Mitte“, die mit ihrer unsozialen Politik, ihrem Rassismus und ihrem Autoritarismus die Faschisten erst groß macht. Sie verliert deshalb zu Recht das Vertrauen vieler Menschen. Als Antifaschistische Aktion Jena wollen wir einen Beitrag dazu leisten Antifaschismus wieder anschlussfähig für alle, die kein Interesse am Faschismus haben, zu machen. In Schulen, Betrieben und Wohnvierteln muss er alltäglich sein. Dabei sind wir auf der Suche nach einer Praxis, die sich in die Lebensverhältnisse von uns allen einmischt und diese politisiert. Durch ein niedrigschwelliges Angebot können in gemeinsamen Erfahrungen und im Austausch miteinander die Widersprüche des Kapitalismus, die faschistische Ideologie und die soziale Hetze der Faschisten sichtbar gemacht werden, um diese dann gemeinsam zu bekämpfen. Nur wer erkennt, dass die Faschisten keine Lösungen anzubieten haben und sogar die eigenen Probleme verschärfen, der kann sich für die eigenen Interessen und gleichzeitig gegen die Faschisten organisieren. Antifaschismus muss greifbar und vermittelbar sein und an den Lebensrealitäten Aller ansetzen. Langfristig bedeutet das auch sich gegen den Kapitalismus und für eine nicht-kapitalistische befreite Gesellschaft zu organisieren. Für eine Gleichberechtigung und freie Entfaltung der Menschheit, anstatt einer Gesellschaft in der Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Religion oder ihrer Sexualität gegeneinander kämpfen. Die Solidarität der Vielen gegen die Faschisten und den Kapitalismus. Ein Kampf gegen Armut, Ausbeutung, Ungleichheit und Unterdrückung. Ein Kampf für soziale Gleichheit und Gerechtigkeit. Ein Kampf für Demokratie und gegen die Tyrannei. Gemeinsam können wir eine antifaschistische Praxis entwickeln, die nicht nur die Symptome, sondern die Ursachen des Faschismus bekämpft. Dafür brauchen wir auch dich!

12.6. in Jena: Luft zum Atmen – 40 Jahre Opposition bei Opel Bochum

Filmvorführung und anschließend Gespräch mit zwei Opel-Kollegen und der Filmemacherin 12. Juni 2019 | 18:00 | Kino am Markt Jena Eintritt: 5€ pro Person, Reservierung und Vorverkauf beim Kino am Mark 1972 gründeten ein paar Arbeiter und Revolutionäre bei Opel in Bochum die „Gruppe oppositioneller Gewerkschafter“ (GoG). Die GoG hat über 40 Jahre lang im […]

ALLES MUSS MAN SELBER MACHEN! Feministisch, soldidarisch & klimagerecht gegen den Wahlkampftauftakt der AfD

Do it yourself! Am 1.Mai plant die AfD ihren Wahlkampfauftakt in Erfurt. Feministisch, solidarisch & klimagerecht werden wir uns dem entgegenstellen und gemeinsam mit dem Bünsnis „Zusammenstehen“ den völkischen Aufmarsch in die Zange nehmen! Kommt mit uns in den queerfeministischen Block am 1. Mai! Neben einem klimapolitischen Demonstrationsteil von „Ende Gelände“ und einem antirassistischen [...]

12. Mai 2019: Nach der Mietparade feiern wir ein Fest!

2. Thüringer Mietparade | 12. Mai 2019 | Start: 12 Uhr Spittelplatz (Jena) Stadt für ALLE – Fest | 12. Mai 2019 | ab 15 Uhr in der Johannisstraße (Jena) Im Anschluss an unsere gemeinsame Demonstration am 12. Mai in … Continue reading

Aufruf zur Thüringer Mietparade

Den Aufruf, Pressespiegel, Unterstützer*innen und alle weitern Infos zur 2. Thüringer Mietparade gibts auf www.thueringer-mietpara.de In Thüringer Städten herrscht eine Wohnungskrise. Wir bekommen sie täglich zu spüren. Die Mieten steigen unaufhörlich und Verdrängung durch Modernisierungsmaßnahmen ist traurige Normalität. Viele leben … Continue reading

Aktivitäten am 1. Mai

Weltweit gehen am ersten Mai Menschen auf die Straße, um für die Verbesserungen ihre Arbeitsverhältnisse zu protestieren. Zumindest in Deutschland sind dabei die Zeiten vorbei, wo wirklich gekämpft wird. Nichtsdestotrotz halten wir es für wichtig am 1. Mai Präsenz zu zeigen und auch an die Ursprünge des „Internationalen Kampftag der Arbeiter*innenklasse“ zu erinnern, sprich an […]